Offener Brief: Zukunft der Kultur in Berlin – auf der Kippe?

Das nflb gehört zu den Erstunterzeichner*innen des offenen Briefs der Zusammenschlüsse der Berliner Kultur, am 16. Juni 2023 veröffentlicht. Der offene Brief wurde zusammen mit den Unterschriften an
Kultursenator Joe Chialo, an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner,
Staatssekretärin Sarah Wedl-Wilson sowie Senator Stefan Evers im
Abgeordnetenhaus übergeben.

Ein lebendiges Kunst- und Kulturleben macht Berlin aus, in der internationalen Wahrnehmung wie im Kiez. In Berlin interagieren große Institutionen, Theater, Museen, Konzerthäuser und Clubs mit freien Künstler*innen, internationale Gäste mit lokalen Kiez-Akteur*innen, Museen und Opernhäuser mit soziokulturellen Trägern, Bibliotheken und der Amateurkultur. Diese Vielfalt und Vernetztheit ermöglichen kulturelle Teilhabe für Berliner*innen jeden Alters, Einkommens und Herkunft. Kulturwirtschaft und Tourismus profitieren von der Ausstrahlung der Stadt und ihrer vielfältigen Kulturangebote. Dass die Berliner Kultur mit ihren vielen Leuchttürmen und weltweit bekannten Künstler*innen regelmäßig in internationalen Medien präsent ist und hunderttausende Besucher*innen jährlich anzieht, liegt an diesem einzigartigen Kulturökosystem, das weltweit seinesgleichen sucht.

Für dieses Kulturökosystem stehen aktuell nur 3% des Gesamtvolumens des Berliner Haushalts zur Verfügung, gemessen an der Bedeutung der Kultur für die Stadt ist das verschwindend gering. Vor dem Hintergrund von Pandemie-Folgen, Inflation, gestiegenen Energiekosten und Mieten und der angespannten Haushaltslage steht die Berliner Kultur aktuell erneut auf der Kippe. Und ein Ökosystem – das verstehen wir mittlerweile aus anderen Zusammenhängen – ist nicht so leicht wieder aufzubauen, wenn es erst einmal zerstört ist.

Die Krise bezahlbarer Wohn- und Arbeitsräume in Berlin eskaliert. Präsentations- wie Arbeitsräume jeder Größenordnung leiden unter einem massiven Anstieg ihrer Fixkosten. Das Durchschnitts-einkommen von freien Künstler*innen liegt weiterhin knapp unter 20.000 Euro jährlich. Faire Arbeitsbedingungen im Kulturbereich sind auch an großen Institutionen abhängig vom Ausgleich der Inflation bei Honoraren und Gehältern. Während die Hilfsprogramme der Pandemie-Zeit enden, sind die Auswirkungen für die Kulturlandschaft noch lange nicht vorbei. In den kommenden zwei Jahren wird sich entscheiden, ob Kunst und Kultur in ihrer jetzigen Qualität, Vielfalt und Attraktivität die Pandemie und ihre Folgen überleben.

In ihrem Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien CDU und SPD dazu bekannt, die Berliner Kulturszene in ihrer Vielfalt und Freiheit zu schützen. Sie beabsichtigen, Künstler*innen und Einrichtungen durch eine bessere Absicherung für die Zukunft und künftige Krisen resilienter zu machen. Zudem bekennt die Koalition mit dem neuen Ressortzuschnitt “Kultur und Gesellschaftlicher Zusammenhalt”, dass sie eine vielfältige Kulturszene als essentiell für unsere Demokratie und das gesamtgesellschaftliche Ganze erachtet.

Diesem Bekenntnis kommt eine außerordentliche Bedeutung zu.

Wir – die Vertretungen der Berliner Künstler*innen und Kulturakteur*innen an den Institutionen und in der Freien Szene – appellieren mit größter Dringlichkeit an den Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU), Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Finanzsenator Stefan Evers (CDU), sowie die gesamte neue Regierung von Berlin, die Kulturlandschaft in ihrer vollen Breite und Vielfalt zu sichern!

Die begrüßenswerten Ziele im Koalitionsvertrag sind nicht mit Sparmaßnahmen zu erreichen. Speziell die freien Projekte und Akteur*innen müssen dringend gestärkt werden. Während der Pandemie-Krise hat neben dem Bund vor allem das Land Berlin mit viel Engagement und Kapital dafür gesorgt, dass Künstler*innen, Kunst und Kultur nicht untergegangen sind.

Machen Sie diesen gemeinsamen Erfolg von Politik und Kultur nicht durch Sparmaßnahmen wieder zunichte. Was kaputtgespart wird, ist kaputt. Resiliente Strukturen einer lebendigen Kulturlandschaft kosten aktuell ein wenig mehr Geld, sind aber perspektivisch unbezahlbar viel wert.

Kontakt für Presserückfragen:

Zoë Claire Miller (bbk berlin)
Franziska Werner (Rat für die Künste Berlin)
Janina Benduski (LAFT Berlin)

zu erreichen unter offenerbrief@laft-berlin.de

Der Offene Brief kann weiterhin sowohl von Zusammenschlüssen und Verbänden als auch von Einzelinstitutionen unterzeichnet werden. Unterzeichnungen mit Nennung von Organisation/Institution und den unterzeichnenden Personen bitte an presse@bbk-berlin.de 

Wir bitten um Verständnis, dass eine Unterzeichnung von Einzelpersonen zum jetzigen Zeitpunkt nicht geplant ist.

Liste der Erstunterzeichner*innen: (nach Sparten alphabetisch)

Verband/Organisation/InstitutionNamenFunktion
Sparte: Bildende Kunst  
Arbeitskreis der Kommunalen Galerien in BerlinKarin Scheel und Stéphane BauerSprecher*innen
bbk berlin – berufsverband bildender künstler*innen berlin e.V.Frauke Boggasch, Zoë Claire MillerSprecher*innen
Berlin Biennale für zeitgenössische KunstGabriele HornDirektorin
Berliner Fraueninitiative XANTHIPPE e.V. / INSELGALERIE BerlinEva HübnerLeiterin und Vorstandsvorsitzende
Berlinische GalerieDr. Thomas KöhlerDirektor
CreamcakeAnja Weigl, Daniela SeitzGründerinnen
Ephra gUGRebecca RaueGeschäftsführerin
Frauenmuseum Berlin e.V.Vorstand 
Haus am WaldseeDirektion & Team 
KW Institute for Contemporary Art – KUNST-WERKE BERLIN e. V.Krist GruijthuijsenDirektor
Netzwerk Ateliergemeinschaften Treptow-Köpenick – NWAGTKStefka Amon – XTRO Ateliers, Sebastian Körbs – Treptow Ateliers, Lutz Längert – MoBe Moving Poets Berlin e.V., Astrid Menze – Kulturhaus Bouché e.V., Irene Pätzug – Atelierhaus am Treptower Park, Volker Rueß – KAOS e.VAnsprechpartner des NWAGTK
Netzwerk freier Berliner Projekträume und -initiativenOliver Möst und Bettina WeißVorstand
nGbK – neue Gesellschaft für bildende KunstDer Koordinationsausschuss und Geschäftsführung 
ver.di AG Kunst und Kultur Berlin-BrandenburgGotthard Krupp, Andreas KöhnVorsitzender, Gewerkschaftssekretär
Verein Berliner KünstlerSabine Schneider und Vorstand1. Vorsitzende
   
Sparte: Darstellende Kunst / Tanz  
apparatusThorsten Eibeler, Dr. Stefanie Wenner 
Arbeitskreis Berliner Kinder- und Jugendtheater: ATZE Musiktheater, Das Weite Theater, Figurentheater Ute Kahmann, GRIPS Theater, Morgenstern – Theater im Rathaus Friedenau, Schaubude Berlin, Theater an der Parkaue, Theater Jaro, Theater o.N., Theater StrahlTim Sandwegfür den AK KiJu Berlin
Ballhaus NaunynstraßeWagner CarvalhoKünstlerische Leitung, Geschäftsführung
Ballhaus OstTina Pfurr, Daniel SchraderKünstlerische Leitung und Geschäftsführung
Bundesverband Theater im Öffentlichen RaumJana KorbVorsitzende
Bundesverband Zeitgenössischer Zirkus (BUZZ e.V.)Cox AhlersBerlin-Koordinatorin
Bundesvereinigung Maskenbild e.V.Regine HergersbergVorsitzende
Chamäleon BerlinAnke Politz, Hendrik FrobelIntendantin, Geschäftsführer
cie. toula limnaios GmbHToula Limnaios & Ralf R. OllertzArtistic Directors
DOCK ART GmbHAnna BergelKünstlerische Produktionsleitung
English Theatre Berlin | International Performing Arts CenterDaniel Brunet, Günther Grosser, Bernd HoffmeisterArtistic Directors and Managing Director
FELD Zentrale für junge PerformanceGabi dan DrosteKünstlerische Leitung
Festiwelt e.V. – Netzwerk Berliner FilmfestivalsDer Vorstand 
GDBA Basisverband Berlin-BrandenburgJannik RodenwaldtVorsitzender
GDBA Berlin-BrandenburgJesse GaronLandesvorsitzender, Gruppenrat Solo
glanz&krawall GbR / Internationale Mini-Republik der Kunst e.V.Marielle Sterra, Dennis DeptaKünstlerische Leitung / Vorstand
HAU Hebbel am UferAnnemie VanackereIntendanz und Geschäftsführung
Heimathafen Neukölln, Saalbau Neukölln Kultur & VeranstaltungInka Löwendorf, Julia von Schacky, Nicole Hasenjäger 
Kulturvolk | Freie Volksbühne e.V.Katrin SchindlerGeschäftsführerin
laborgras GbRRenate Graziadei & Arthur Stäldi 
LAFT Berlin – Landesverband freie darstellende Künste BerlinFlorian Bücking, Caroline Gutheil-Walzer, Rahel Häseler, Marianne Ramsay-Sonneck, Daniel Schrader, Mey Seifan. Tim Winter, Janina Benduski, Daniel Brunet. Tina PfurrVorstand
Performing for FutureValeria Geritzen, Konstanze Grotkopp, Veronika Nickl u.a. 
Pro Quote Bühne e.V.France-Elena Damian, Helena Kontoudakis, Eva Jankowski, Heike Scharpff, Kerstin Steeb 
PROFOLK e.V.Mitglieder 
PURPLE – Internationales Tanzfestival für junges PublikumCanan ErekKünstlerische Leiterin
RambaZamba TheaterKirsten BurgerLeitung Junges Rambazamba
RILABEN companyEnrico L’Abbate 
Shakespeare Company Berlin e.V.Vera Kreyer, Michael Günther, Katharina Kwaschik 
Showcase Beat Le MotVeit Sprenger, Thorsten Eibeler 
Sophiensaele BerlinAndrea Niederbuchner, Jens Hillje, Franziska Werner, Kerstin MüllerKünstlerische Leitung, Geschäftsführung
STADTTHEATER SPANDAU e.V.Kuratorinnen- und Künstlerinnen-Gruppe 
Tanzfabrik Berlin e.V.Jacopo Lanteri, Barbara Greiner und VorstandVorstand
Tanzcompagnie Rubato    Jutta Hell und Dieter BaumannKünstlerische Leitung
TATWERK | Performative ForschungAurora Kellermann & Chris Wohlrab 
TD BerlinMichael Müller und Georg SchareggGeschäftsführung
Theater im DelphiNikolaus SchneiderKünstlerische Leitung, Geschäftsführung
Theater OstKathrin Schülein, Caroline Siebert, Ilka Sehnert, Claudia Stauß, Jan Marchlewitz, Jens-Uwe Glasa 
Theaterverein Am Festungsgraben e.V. –  THEATER IM PALAISAlina GauseIntendantin
Volksbühne am Rosa-Luxemburg-PlatzRené PolleschIntendant
Vuesch gGmbH – Circus SchatzinselOlaf SchenckenbergZirkus Zack, Geschäftsführer
Zeitgenössischer Tanz Berlin (ZTB) e.V. / Netzwerk TanzRaumBerlin / Tanzbüro BerlinZTB-Vorstand 
Zusammenschluss von Institutionen ohne Haus – die Gruppen:andcompany&Co., Gob Squad Arts Collective, Rimini Protokoll, She She Pop und Solistenensemble Kaleidoskop 
   
Sparte: Musik  
Badenscher Hof Jazzclub BerlinHans-Hugo Rieck 
Berolina-Orchester Berliner Symphoniker e.V.Sabine VölkerIntendantin
Chorverband Berlin e.V.Gerhard SchwabGeschäftsführer
Clubcommission – Netzwerk der Berliner Clubkultur e.V.Marcel Weber, Lewamm Ghebremariam, Sascha Disselkamp, Lutz LeichsenringVorstand
CTM – Festival for adventurous music and art, berlinOliver BaurhennAdvising Director
Deutscher Tonkünstlerverband (DTKV) BerlinSimon Borutzki, Wendelin Bitzanfür den Vorstand
Global Music AcademySimon Marburg , Andreas Freudenberg, Dr. phil. Rajyashree RameshGeschäftsführer, Kulturmanager/ Gründer, Koordinatorin für Tanz
Hanns Eisler Chor BerlinUschi Röllich-Faber1. Vorsitzende
IG JAZZ BERLINFabian Ristau und VorstandVorstand
inm – initiative neue musik berlin e.V.Nina Ermlich, Claudia van Hasselt, Sagardía, Christian Kesten, Alexey Kokhanov, Aziz LewandowskiVorstand
Junges Ensemble Berlin e.V. (Sinfonieorchester, Chor, Konzertorchester)Jakob Zscherper, Kai-Simon GoetzmannPräsident, Geschäftsführer
Konservatorium für türkische Musik BerlinHalim Karademirli 
Landesmusikrat Berlin e.V.Hella Dunger-LöperPräsidentin und Präsidium
LBBL e.V. – Landesverband Berlin-Brandenburgischer LiebhaberorchesterTill Schwabenbauer 
Neuköllner OperAndreas Altenhof, Bernhard Glocksin, Laura HöroldKünstlerische Leitung, Geschäftsführung
Solistenensemble KaleidoskopVolker Hormann 
Titans Rising Verein für Alte Musik e.V.Martin Schindler, Sarah Fuhs, Matthias LichtenbergVorstand
Unerhörte Musik im BKA TheaterRainer Rubbert, Martin Daske 
unisono Deutsche Musik- und OrchestervereinigungRobin von Olshausen 
VAM – Vereinigung Alte Musik Berlin e.V.Moni Fischaleck, Martin Knörzer, Luiza Labouriau, Torsten Übelhör 
   
Sparte: Wort / Literatur  
Lettrétage e.V.Vorstand 
Literaturhaus BerlinJanika Gelinek & Sonja LongoliusLeitung
Netzwerk freie Literaturszene Berlin (NFLB e.V.)Vorstand 
Ariella VerlagMyriam Halberstam 
   
Spartenübergreifende / Institutionen / Initiativen und Verbände  
Berlin MondialeDr. Sabine KronerLeitung
Berliner CSD e.V.Die Vorstände 
Berliner Künstlerprogramm DAAD – Deutscher Akademischer AustauschdienstSilvia FehrmannLeiterin
ehrliche arbeit – freies KulturbüroAnka Belz, Janina Benduski, Leoni Grützmacher, Anna Mareike Holtz, Nina Klöckner, Sandra Klöss, Torsten Klöss, Andrea Oberfeld, Elena Polzer, Ilka Rümke, Anna Wille 
Initiative KULTUR INS GRUNDGESETZKathrin Schülein, Claudia Opitz, Katharina Kwaschik, Caroline Siebert, Sebastian Köpcke, Felix Meyer, Hans-Eckardt Wenzel 
Initiative Kultur-DENK-MAL – Teufelsberg Berlin e.V.Rotraud von der Heide, Sooki KöppelVorsitzende
Koalition der freien Szene BerlinSprecher*innen-Kreis 
korientation. Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven e.V.Vorstand und Geschäftsführung 
KULTURKONTAKTE e.V., kultkom – Kulturmanagement & Kommunikation QuerKlang gUGKerstin WieheGeschäftsführung
KulturLeben Berlin – Schlüssel zur Kultur e.V.Angela Meyenburg, Miriam KremerGeschäftsführung, Presse- und ÖA
KuPoGe – Kulturpolitische Gesellschaft Berlin-BrandenburgWibke Behrens, Moritz von Rappard, Sarah ZalfenSprecher*innen-Trio
Rat für die KünsteFranziska Werner, Oliver BaurhennSprecher*innen
Stiftung StadtkulturDr. Pirkko HusemannVorstand
Urbane Praxis e.V.Tomma Suki Hinrichsen, Sabine Kroner, Rebecca Wall, Markus Bader, Miodrag KučVorstand
Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt e.V.Valeria Fahrenkrog, Joerg Franzbecker, Heimo Lattner, Florian WüstRedaktion

Wie frei ist die Literaturszene Berlins?

Kulturpolitische Diskussionsrunde mit Wibke Behrens (SPD Fachausschuss Kulturpolitik, Kulturpolitische Gesellschaft), Martin Jankowski (Berliner Literatische Aktion), Robbin Juhnke (Kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus) und Delphine de Stoutz (Netzwerk freie Literaturszene Berlin). Mit Keynotes von Alexander Graeff und Janina Benduski.

Eine Veranstaltung der Berliner Literaturkonferenz in Kooperation mit rbbKultur.

Am 26. Juni in der Novilla, Hasselwerder Straße 22, 12439 Berlin. 18 Uhr, Eintritt frei. Kommt gerne dazu, es könnte spannend werden!

Ein Kommentar zum Offenen Brief und zum Verlagspreis von Eric Schumacher

Ich würde die Thematik an dieser Stelle gerne etwas allgemeiner aufgreifen und zu verdeutlichen versuchen, worum es uns bei der Kritik an dem Verlagspreis geht.

Es ist ja zunächst nichts dagegen einzuwenden, dass ein solcher Preis existiert. Er orientiert sich an der Praxis anderer Bundesländer, die in den letzten Jahren Verlagspreise eingeführt haben – und klar, das muss sein, Berlin toppt sie. So weit, so gut. Ein mutiger, geschweige denn wirkmächtiger Schritt ist das allerdings nicht. Wir halten das für Symbolpolitik, gut gemeint, erfreulich für die zukünftigen Preisträger*innen, eine schöne Homestory fürs Stadtmarketing.

Wir vom NFLB oder breiter gefasst von der Koalition der Freien Szene haben ein anderes Verständnis von Kulturpolitik und von der aktiven, partizipativen und zivilgesellschaftlichen Einbindung einer diversen Akteursstruktur.

Wir denken Förderstrukturen von der Basis her, von den Akteur*innen und ihren konkreten Bedarfen, um ihre Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern.

Deswegen gibt es ein in der Freien Szene komplexes Geflecht an Verbänden, Interessensgruppen, Arbeitsgruppen, Fördersummits, Plenen, Arbeitsgruppen in denen spartenspezifisch und –übergreifend versucht wird, zu einem gemeinsamen Verständnis über bedarfsgerechte Förderinstrumente zu kommen.

Das ist sicherlich ein mühsamer, anstrengender Prozess, aber wir sind der Überzeugung, dass es nur so funktioniert. Und in dem Zusammenhang haben wir beispielsweise auch eine AG Bibliodiversität gegründet, die übergreifend und diversitätssensibel nach Förderinstrumenten sucht.

Der Verlagspreis ist aus unserer Sicht ein gutes Beispiel dafür, wie Kulturpolitik nicht mehr oder nicht ausschließlich betrieben werden sollte. Top-down getrieben über ein Closed-Shop-Verfahren, wo sich ein ausgewählter Kreis von Zugelassenen (mit den durchaus besten Absichten) einen Preis ausdenken. Das ist nach unserem Verständnis nicht oder nur bedingt von der Basis aus gedacht: von einer diversen Akteursstruktur und ihren spezifischen Bedarfen.

Der Preis deckt eine Facette ab, er „leuchturmisiert“ quasi den Förderungsbedarf von Independent-Verlagen, verschafft ihm eine würdigende Sichtbarkeit. Und gleichzeitig, so unser Eindruck, differenziert er die Independent-Szene, indem er beispielsweise innovative Vertriebs-, Marketing- und Digitalisierungsmodelle in den Kriterienkatalog aufnimmt und damit Verlage, die damit nichts am Hut haben, ausgrenzt. Letztlich fokussiert sich der Preis, so könnte man fasst mutmaßen, auf den „Mittelstand“ der Independent-Verlagsszene. Der untere Rest wird ausgeblendet.

Der entscheidende Punkt ist folgender: Durch den Verlagspreis wird die Situation von Akteur*innen der Bibliodiversität strukturell keinen Deut besser. Es ist mehr oder weniger eine Sichtbarkeitskampagne.

Das Problem in Berlin ist doch, dass Literatur im Fördertableau das Schlusslicht bildet und strukturell deutlich benachteiligt ist. Die Fördersummen für Autor*innen und Akteur*innen der freien Literaturszene sind im Vergleich zu anderen Sparten, im Vergleich zu den enormen Summen, die im Kulturhaushalt flottieren – ein Witz.

Unser Ansatz ist, dass wir Kulturförderung breiter aufstellen wollen. Wir wollen Basisförderungen für die gesamte literarische Akteursstruktur (inkl. Verlage und Literaturmagazine).

Wir wollen eine nachhaltige Förderstruktur, die bei Akteur*innen ansetzt, die es ihnen ermöglicht auch mal langfristiger zu planen. Dafür gilt es Förderinstrumente zu schaffen, an denen möglichst viele partizipieren können, dafür muss auch deutlich mehr Geld in die Hand genommen werden als die besagten 65.000 €. Geld, das aber grundsätzlich nach der derzeitgen Haushaltslage da ist.

Wie gesagt, das beißt sich nicht mit dem vorliegenden Verlagspreis und kann sich sogar idealerweise gut ergänzen.

Der Impetus unserer Kritik war auch eher, dass es mit diesem Verlagspreis nicht getan ist. Dass dieser Preis erst ein Anfang sein kann, und dass in diesem Preis ein Rahmen gesetzt wird, der priorisiert und partiell ausgrenzt.