Bedarfs- und Forderungskatalog zum Kulturhaushalt 2024/2025

Katalog als pdf-Download

Forderungen für eine nachhaltige, diverse und gerechte Literaturförderung in Berlin
Netzwerk freie Literaturszene Berlin (nflb) e.V., aktualisierte Kurzfassung vom 30.06.2023

Mindestens 10.000 Autor*innen, Übersetzer*innen, Verleger*innen und Veranstalter*innen leben und arbeiten in Berlin und machen die einzigartige Strahlkraft dieser Literaturmetropole aus. Nach den Verwerfungen der Corona-Zeiten, dem Wegfall der entsprechenden Hilfsinstrumente und verschärft durch Inflation sind die Akteur*innen und Strukturen der freien Literaturszene bedroht. Im Vergleich zu den anderen Sparten ist die Literatur, insbesondere die freie Literaturszene, nach wie vor deutlich unterfinanziert. Wir appellieren an den Kulturausschuss, an die Regierungskoalition und die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, der freien Literaturszene in Berlin wieder eine Perspektive zu geben, und hoffen, dass der vorliegende Forderungskatalog des NFLB dafür Anregungen liefert. Weitere Hintergründe zu den einzelnen Punkten finden Sie im Dokument „Forderungskatalog_Langfassung“.

Stipendien für Übersetzer*innen
Aufwuchs: 720.000 Euro

Bislang wurde die Arbeit von Übersetzer*innen in dieser vielsprachigen Metropole leider kaum gewürdigt. Zusätzlich zu den kürzlich ermöglichten Recherchestipendien für Übersetzer*innen sehen wir daher dringenden Bedarf für insgesamt 40 flexible Stipendien à 2.000 Euro, je nach Art und Umfang der eingereichten Arbeitsvorhaben für Förderzeiträume von 6 oder 12 Monaten. Wir fordern analog zu den Arbeitsstipendien für Autor*innen die Möglichkeit, sich ohne bisherige Buchveröffentlichungen zu bewerben.

Arbeitsstipendien für Autor*innen (deutschsprachig und nicht-deutschsprachig)
Aufwuchs: 720.000 Euro jährlich

Für Autor*innen bietet der Buchmarkt bei weitem keine ausreichenden Verdienstmöglichkeiten. Aufgrund des hohen Bedarfs fordern wir daher eine deutliche Aufstockung der Gesamtzahl der Arbeitsstipendien für Autor*innen (à 24.000, à 16.000 € und à 8.000 €).

Maßnahmen für mehr Diversität und Inklusion im Fördersystem – Kulturschaffende mit Behinderung im Fokus
Aufwuchs: 300.000 Euro jährlich

Wir fordern ein Budget für Maßnahmen zur Barrierefreiheit von Projekten und Ausbildungsgängen im literarischen Bereich mit dem Ziel einer diskriminierungsfreien Partizipation behinderter Literat*innen am Literaturbetrieb.

Basisförderung für Lesereihen, Lesebühnen und literarische Präsentations-/ Produktionsorte: Für eine literarische Nahversorgung
Aufwuchs: 500.000 Euro jährlich

Förderstrang 1: Lesebühnen und Lesereihen. Erforderlich ist, wie seit langem gefordert, eine strukturelle bedarfsgerechte „Basis- und Konzeptförderung Literatur“ für Lesereihen und Lesebühnen, die für 2 bzw. 4 Jahre bewilligt wird – ähnlich wie bereits in der Darstellenden Kunst praktiziert.

Förderstrang 2: Spielstätten. Veranstalter*innen mit fester Struktur, die seit Jahren eigene Literaturveranstaltungen anbieten oder der freien Literaturszene eine räumliche und organisatorische Infrastruktur anbieten, benötigen bedarfsgerechte Förderungen. Dazu gehören: Betriebszuschüsse (Personal-, Betriebs-, Mietkosten, etc.), investive Zuschüsse für Ausbau, Erhaltung und Ausstattung von Produktionsorten sowie Programmmittel, die für 2 bzw. 4 Jahre bewilligt werden.

Aufstockung der Projektförderung Literatur
Aufwuchs: 300.000 Euro jährlich

Wir fordern nachdrücklich, den Fonds aufzustocken und noch konsequenter auf die Erfordernisse von Projekten und Projektträgern von kleiner bis mittlerer Größe auszurichten. Wir schlagen daher zusätzlich zur Aufstockung der Mittel einen zweiten Antragstermin pro Jahr vor, um der freien Szene Gelder kurzfristiger als bisher zur Verfügung stellen zu können.

Bessere Verlagsförderung
Mehrbedarf: 80.000 Euro jährlich

Zusätzlich zu dem 2018 erstmalig verliehenen und aktuell mit 65.000 Euro dotierten Berliner Verlagspreis, um das Engagement Berliner Independent Verlage zu würdigen, plädieren wir für eine Verdoppelung der Preise auf zwei Hauptpreise (à 35.000 Euro) und vier Förderpreise (à 15.000 Euro) sowie einen Sonderpreis für Berliner Literaturmagazine und -zeitschriften in Höhe von 15.000 Euro.

Tandem-Stipendien
Mehrbedarf: langfristig etwa 600.000 Euro jährlich (1. Jahr: 120.000 Euro, 2. Jahr: 240.000 Euro usw.)

Das neuartige Konzept des „Tandem-Stipendiums“ besteht in einer Kombination aus Teilzeit-Stipendium und Teilzeit-Anstellung im kulturnahen Bereich. Es schafft für Autor*innen eine längerfristige finanzielle Absicherung und beugt Altersarmut vor. Wünschenswert wäre im ersten Schritt die Vergabe von 5 neuen Stipendien pro Jahr, bewilligt für jeweils 5 Jahre.

Recherchestipendien für literarische Kuration
Mehrbedarf: 60.000 Euro jährlich

Um die Neukonzeption literarischer Veranstaltungen stärker als bisher zu unterstützen, fordern wir 10 neue Recherchestipendien für literarische Kuration mit einem Förderzeitraum von jeweils 3 Monaten à 6.000 Euro.

Zusammenarbeit stärken: Koordinierungsstelle für die freie Literaturszene in Berlin
Mehrbedarf: 130.000 Euro

Zur besseren Koordinierung der Belange in der freien Literaturszene fordern wir die Schaffung einer Vollzeitstelle inklusive Ausstattung und die wissenschaftliche Begleitung der Maßnahmen.

Anerkennungsgabe der Stadt Berlin für soziales Engagement im literarischen Feld
Mehrbedarf: 50.000 Euro jährlich

Wir fordern die Einrichtung einer dotierten Anerkennungsgabe der Stadt Berlin für soziales Engagement im literarischen Feld. Wir schlagen vor, dass sie jährlich von einer unabhängigen Jury an zunächst fünf Einzelpersonen, Gruppen, Vereine oder Initiativen vergeben wird und mit jeweils 10.000 Euro zur freien Verwendung dotiert ist.

NFLB legt seine Forderungen zur Literaturförderung vor

Das Netzwerk freie Literaturszene Berlin e.V. hat seine „Forderungen für eine nachhaltige, diverse und gerechte Literaturförderung in Berlin“ vorgelegt. Diese wurden von den Mitgliedern coronabedingt in einem digitalen Prozess zusammengetragen und beschlossen. Die Forderungen beziehen sich nicht nur auf den bevorstehenden Doppelhaushalt, über den ab dem Herbst politisch verhandelt wird, sondern entwerfen auch perspektivische Konzepte, wie Literaturförderung strukturell ergänzt werden könnte. Dazu zählt das fünfjährige „Tandem-Stipendium“ für Autor*innen und Übersetzer*innen.

Besonders engagiert wurde über die Themen Altersarmut und soziale Absicherung diskutiert. Um Autor*innen und Übersetzer*innen eine längerfristige finanzielle Absicherung zu bieten, als dies bei den meisten Stipendien bislang der Fall ist, wurde das „Tandem-Stipendium“ konzipiert: Dabei erhalten etablierte Autor*innen und Literaturübersetzer*innen eine Festanstellung im literaturnahen Bereich, etwa in Literaturhäusern, Medien, Universitäten oder im Deutschunterricht an den Schulen. 50 Prozent der Arbeitszeit werden zum Schreiben freigestellt. „Vorbild für das Konzept waren eigentlich die bei der Bundeswehr angestellten sogenannten Sportsoldaten“, erläutert Moritz Malsch, Vorstandsvorsitzender des NFLB. „Was in der Spitzensportförderung möglich ist, sollte doch in der Literaturförderung auch zu machen sein?“ Eine Festanstellung adressiert zudem das Problem der Altersarmut: Da Stipendien nicht als Erwerbseinkommen gelten, werden auf sie auch keine Rentenbeiträge gezahlt. Autor*innen, die besonders viele Preise und Stipendien erhalten, bekommen so später paradoxerweise eine besonders niedrige Rente. Kulturstaatssekretär Thorsten Wöhlert zeigte sich bei einer Diskussion im Rahmen des Branchentreffs Literatur bereits offen für das Konzept und verwies auf einen zusätzlichen Planstellenbedarf allein der öffentlichen Bibliotheken von 300 Vollzeit-Stellen.

Ein wichtiger Fortschritt kündigt sich im Bereich der Übersetzer*innenförderung an, die in den NFLB-Forderungen an erster Stelle steht: „Wir freuen uns sehr, dass im Haushaltsentwurf der Kulturverwaltung erstmals Arbeitsstipendien für Übersetzer*innen vorgesehen sind, wie wir sie seit Jahren fordern“, so Delphine de Stoutz aus dem NFLB-Vorstand. „Aber die vorgesehenen Summen stellen für die zahllosen Übersetzer*innen der Stadt eher einen Tropfen auf den heißen Stein dar und führen weiterhin zu einer Ungleichbehandlung von Autor*innen und Übersetzer*innen.“

Weitere wichtige Punkte aus dem Forderungskatalog neben dem Bereich Stipendien sind u.a. der Abbau von Zugangsbarrieren aller Art sowie eine kleinteilige Basisförderung für die über 100 Lesebühnen und Lesereihen der Stadt, analog zur Basis- und Konzeptförderung in der Darstellenden Kunst. Angesichts der hohen Sonderausgaben aufgrund der Corona-Pandemie ist zu befürchten, dass sich hier im kommenden Haushalt wenig bis nichts bewegt. Dabei besteht nach wie vor eine strukturelle Unterförderung im Literaturbereich: Berlin gibt für seine freie Literaturszene momentan nicht einmal einen Euro pro Einwohner aus.

Den ausführlichen Forderungskatalog finden Sie hier:

Medien-Anfragen bitte an vorstand@nflb.de.